SUPERWOMAN

Du bist eine Frau.

Du kannst Multitasking.

Du bist eine tolle Hausfrau, von deinem Boden kann man essen, deine Kinder sind wohlerzogen – du hast doch Kinder, oder? – deine Frisur ist immer gepflegt, du bist immer gut gestylt, und dass du im Beruf deinen Mann stehst, versteht sich von selbst.

Du bist eine Superwoman.

Oder?

REAL LIFE

Du bist eine Frau. Du hast, wie jeder andere Mensch, 24 Stunden pro Tag.

Von denen schläfst du sechs, obwohl dir acht mehr guttun würden.

Wenn man dich überraschend besucht, dann ist man versucht, eine Abgängigkeitsanzeige für den Boden in deiner Wohnung aufzugeben. Auf deinem Sofa, an dem sich ein brüllendes Kind gerade die Schokoladenfinger abwischt, türmen sich ungebügelte Kleidungsstücke. Deine Füße sehen manchmal aus, als hättest du eine Wüstenwanderung hinter dir – barfuß! Und deine Haare sehen aus, als ob die Vogelfamilie, die sich dort ein Nest gebaut hat, gerade ausgeflogen sei.

Deine Jeans haben eindeutig bessere Zeiten gesehen, vielleicht auch solche, in denen sie geringerem Druck von innen ausgesetzt waren.

Und weißt du was? Das ist okay!

MY LIFE

Okay, ich arbeite viel. Aber nicht, weil sich das so gehört, sondern weil ich will. Ich habe mich dafür entschieden.*

Was dabei auf der Strecke bleibt, weiß jeder, der mich näher kennt: Unseren Fußboden kennen wir nur vom Hörensagen, meist ist er  von einer dicken Schicht Bücher, Papiere, Skripten und anderem bedeckt. Während mein holdes Weib gerne ihre Sachen als Türmchen stapelt – Wurstbrote, Wäsche, Papier und leeres Geschirr – halte ich Ordnung. Und hänge alle meine Sportsachen über den Fahrradergometer, der mitten im Schlafzimmer steht. Das Fahrrad selbst hängt seit mittlerweile vier Jahren im Keller meiner Schwiegermutter ab. Mit einem Platten oder zwei. Meine Fußpflegerin ist per „Sie“ mit mir, weil sie mich so selten sieht und für meine liebe Friseurin bin ich eine urbane Legende: Sie besuche ich einmal im Jahr. Maximal. Öfter geht nicht. Und die Socken? Nun, die werden gewaschen. Und mitsamt dem Waschsack über den Trockner geworfen. Nur um danach alle zusammen fröhlich in drei unterschiedlichen Wäschekörben vor sich hinzuwarten, bis sie zusammengefunden und getragen werden. Nicht, weil mir das so toll gefällt, sondern weil ich meine Freizeit lieber in mich selbst investiere (so ich denn eine habe).

Fitness ist gut, aber oft aus. Manchmal klappt es, dann wieder nicht. Und alles andere ist ebenso unperfekt, von den Fältchen um die Augen, über die größeren Fältchen um den Bauch bis hin zur Out-of-Bed-Frisur.

Und ja, auch ich lese oft Sachen in Social Media und denke mir, die oder der hat es geschafft und ich bin ein Loser. Auch ich zweifle an mir. Und manchmal fühle ich mich wie eine Hochstaplerin.
Aber weißt du was? Auch das ist okay – zumal ich weiß, dass Social Media das größte Märchenbuch der Welt ist, in dem sich jeder und jede täglich neu erfindet und ihre G’schichterln an die anderen verteilt. Wahrheitsgehalt: niedriger als der Meeresspiegel in Death Valley.

*Wobei, seit Anfang dieses Jahres habe ich für mich die 6-Stunden-Tage eingeführt. Aber das ist ein anderer Blogbeitrag. Ich wollte dich nur auf dem Laufenden halten.

„Follow your …“ WOS???

Wir alle versuchen, einem Ideal zu folgen. Dem Ideal von Instagram, dem Ideal von Heldinnen unserer Kindheit. Unabhängige starke Frauen. Und es ist gut, dass wir Ideale in uns tragen.

Die Frage, die sich stellt, lautet nur: Warum wollen wir in jedem Punkt stark sein, und warum können wir Schwächen oder Makel so schwer ertragen?

Leider sind unsere Geschlechtsgenossinnen nicht immer eine große Hilfe. Denn, um die eigenen Schwächen zu kaschieren, ziehen wir immer noch fröhlich über andere her.

Mittlerweile natürlich liebevoller.
„Ich mein’s nicht bös, aber die Dings hat schon wieder ganz schön zugenommen, oder?“

„Ich mach mir Sorgen um die Sochn. Jetzt sehe ich sie schon zum zweiten Mal mit einer fleckigen Hose!“

MITEINANDER STATT ÜBEREINANDER

Es wäre ein super erster Schritt, wenn wir miteinander reden würden anstatt übereinander. Verständnis füreinander aufbringen anstatt uns zu freuen, dass die Sowieso noch mehr verschissen hat als wir.

Und vielleicht können wir uns sogar gegenseitig helfen. Gemeinschaften gründen. Viele Dinge können im Kollektiv besser organisiert und umgesetzt werden als von jeder allein.

Das ist kein Coach-Bashing!

Bitte versteh mich nicht falsch. Ich bin selbst ausgebildete Mentaltrainerin, und viele meiner Freundinnen und Bekannten sind ebenfalls in diesem Metier tätig.

Ich finde diesen Job superwichtig.
Was ich nicht mag, sind Menschen, die anderen unrealistische Erwartungshaltungen aufzwingen und sie klein machen – nur, um sie dann „aufbauen“ zu können. Das ist Pfui!

„SEI DOCH ENDLICH DIE BESTE VERSION DEINER SELBST!“

Und dann kommen die Blabla-Coaches. Alle aus einer Schule offenbar. Die uns reindrücken, dass wir eigentlich viel besser sein sollen, müssen, es uns selbst schuldig sind! Und die alle nur eines wollen: Nein, nicht unser Bestes. Außer, unser Bestes wäre gleichzusetzen mit unserer Kohle.

Mittlerweile hab ich diese „Ich verkauf dir das Blaue vom Himmel“-Menschen so satt.
Vor allem auch deswegen, weil sie guten Coaches, seriösen Mentaltrainerinnen, Menschen, die mit ihrem Herzen bei der Sache sind, den Ruf ruinieren mit ihren leeren Versprechungen, mit ihrem „Du bist einfach nicht gut genug – solange du nicht mein Programm gemacht hast!“, mit ihrem „Du bist sooooo toll, fast so toll wie ich – du musst es nur glauben!“

SEI VERDAMMT NOCHMAL GLÜCKLICH!

Glaub ihnen nicht. Du bist gut wie du bist.

Du kannst ein paar Stellschrauben drehen, damit es DIR BESSER GEHT. Nicht, damit DU BESSER BIST.

Du musst nicht besser sein, du sollst verdammt nochmal glücklich sein!

Was immer das für dich bedeutet.

Ausreichend Freizeit haben.
Genug Aufträge bekommen.
Gesund sein oder werden.
Geliebt werden.
Oder alles davon.
Oder gar nichts davon.
Scheißegal – es ist dein Leben, deine Welt.

Es sind deine Träume, Wünsche, Ziele.

Also hör auf dein Bauchgefühl.
Ja, ausnahmsweise schreib ich Bauchgefühl, nicht Buchgefühl.
Wenn du darauf hörst, kannst du nichts falsch machen.

BERÜHMTE LETZTE GEDANKEN

Machen wir uns nichts vor: Auf unserem Sterbebett (sofern wir das Glück haben, eines zu besitzen, irgendwann in ferner Zukunft) werden wir sicher nicht bedauern, dass wir zu wenig geputzt haben, unsere Nägel nicht oft genug gefeilt haben oder das gleiche Kleid zu drei verschiedenen Anlässen getragen haben.
Es wird uns wurscht sein, ob wir Nummer eins Bestseller hatten oder Topspeaker oder die Beste überhaupt waren.

Wir werden bedauern, uns vor den Blicken und Meinungen anderer gefürchtet zu haben. Dass wir Fenster geputzt haben, anstatt den perfekten Sonnenuntergang zu bewundern. Dass wir uns auf einer Feier nicht wohlgefühlt haben – nur, weil wir uns fett vorgekommen sind oder dass wir anstatt mit unseren Kindern / Liebsten / Haustieren einen liebevoll-faulen Abend auf der Couch zu verbringen, unbedingt noch diese eine Akte bearbeiten oder die Küche putzen wollten.

Ich sage es ungern, aber das Leben ist endlich. Unseres und das unserer Lieben. Wir wissen nie, wie viel Zeit wir noch füreinander haben. Und wir wissen nie, wie viel Zeit wir noch mit dem Menschen haben, den wir hoffentlich am meisten lieben. Uns selbst, nämlich.