Heute schon erwachsen gewesen?
„Ja“, höre ich dich murmeln. „Nichts anderes als das“.
Hm – hast du Erfolg damit? Und vor allem: Bist du glücklich?
Ich habe beides probiert. Nach vielen Jahren in der „Sandkiste“ und einem Job, der mir das Spielen und Kindischsein erlaubt hat, habe ich vor etlichen Jahren einen ziemlich unerwarteten Karrieresprung gemacht: in die Marketingabteilung einer großen Datenbankfirma.
Natürlich wollte ich mich beweisen. Meine neuen Kolleg:innen sollten sehen, dass ich es wert bin, diesen Aufstieg zu machen, dass ich mich anpassen kann. Dass ich sein kann wie sie. Und dass ich besser und mehr arbeiten kann als so manch andere.
Also habe ich meine Cargohosen, die bunten Turnschuhe und die bauchfreien T-Shirts in die Lade gelegt, ganz nach unten.
Und habe die dezenten Strickwesterln raus geholt, die braven Leinenhosen, die seriösen Schuhe.
Und ich habe mich gründlich verbogen. Meine Tattoos habe ich verdeckt, meine wilden Haare in einen braven Pferdeschwanz gebunden und ich habe aufgehört, so laut zu lachen – das ist in einem Großraumbüro eher unpassend, oder?
Gearbeitet habe ich wie eine Böse, zuerst 25 Stunden, dann 40, irgendwann dann wieder nur noch 25. Dabei habe ich allerdings vergessen, das Arbeitspensum auch wieder zu reduzieren.
Nach zwei Jahren Verstellen und Verbiegen hatte ich nicht nur Rückenschmerzen, sondern auch das dringende Bedürfnis, wieder unbedeutend zu sein. Ein Niemand, der in Cargohosen rumrennt, die Stadt auf dem Mountainbike erkundet oder einfach manchmal eine Stunde an der Donau sitzt, mit den Füßen im kalten Wasser und die Brombeeren direkt vom Gebüsch isst.
Zurück in die Sandkiste!
Ganz „zurück“ habe ich nicht gefunden, in meine unbekümmerte Kinderwelt, die ich mir bis immerhin fast 40 erhalten habe. Aber ich habe mir, nach einigen Anlaufschwierigkeiten, eine neue Sandkiste gebaut, in der ich rumspiele.
Warum so und nicht seriös?
Warum habe ich nicht einfach eine Werbeagentur aufgemacht, mich in Designerfetzen geschmissen und versucht, mit dem Strom der Erfolgreichen mitzuschwimmen?
Weil das nicht ich bin.
Ich bin lieber als Lisa erfolgreich, habe Kund:innen, die mich so schätzen wie ich bin, mache Sachen, die mir Spaß machen (auch wenn sie mich manche Nacht kosten), darf blöd sein, erlaube mir manchmal schräge Sachen.
Und – ja, das kann ich sagen – ich bin glücklich dabei.
Die Turnschuhe sind an den Füßen, die Sandkiste ist wiedereröffnet.
Ich geniere mich nicht, eine Handtasche zu tragen, die aussieht wie ein bösartiges Kaninchen (und manchmal spreche ich auch mit ihr!) und es kommt sogar vor, dass ich laut lache.
Ja, auch in der Straßenbahn. Ja, auch, wenn man mich dabei hört. Und manchmal so viel, dass ich meine Funktionen nicht mehr ganz unter Kontrolle habe (die, die mich kennen, wissen, was ich meine).
Lisas „Kind“ ist wieder da
Und gemeinsam sind wir – mein „Kind“ sowie meine Ehefrau und Geschäftspartnerin – nicht nur glücklich, sondern auch erfolgreich.
Against all odds.
Entgegen dem, was mir manche prophezeit haben, die lieber in ihrer Schublade sitzen bleiben.
Mein Leitspruch ist auch in Zukunft wieder:
„Man kann mich nicht in eine Schublade stecken – und nicht nur deswegen, weil mein Hintern zu groß ist dafür.“
Lasst uns alle ein bisschen mehr Kind sein, uns ein bissl weniger genieren für das, was wir gerne machen.
Lasst uns weniger über die Marotten und Eigenheiten von anderen urteilen. Sondern ganz im Gegenteil: Lasst uns mehr Marotten und Eigenheiten entwickeln – oder die, die schon da sind, lieben und kultivieren!
Wir sind Individuen, und wir sind lebendig.
Und nur so können wir glücklich sein – nicht als Abziehbild einer Person, die wir nicht sind.
In diesem Sinne, einen schönen „Tag des Kindes“! Jeden Tag des Jahres!